Die erste Woche meiner Yogalehrerausbildung bei Yoga Vidya ist vorbei und ich durfte viel lernen – viel über Yoga und viel über mich selbst. Auch die zweite Woche hat dem Namen der Ausbildung alle Ehre gemacht und war sehr intensiv.

2. Woche, 1. Tag: Samstag, 15.08.2020
Schweiß & Tränen
Schweiß und Tränen rinnen hier in Massen. Schweiß, weil manche Asanas (Körperstellungen) wirklich anstrengend sind. Besonders, wenn man sie mehrere Minuten lang hält – so wie es das Ziel im Hatha-Yoga ist.

Yoga öffnet. Nicht nur auf physischer Ebene, sondern besonders auch auf psychischer. Verschiedenste Gedanken, verdrängte Probleme und sogar Traumata können zum Vorschein kommen. Die Energie kommt ins Fließen und sie bringt so einiges mit sich. Auch so manche Träne. Vieles darf und kann sich lösen. Es ist schön zu wissen, dass es hier allen so geht und man getrost weinen darf.

Noch schöner ist, dass diese Ausbildung am Ende nicht nur die Befähigung ist, Yoga-Stunden zu geben, sondern ein Weg sich selbst zu finden, vieles in und mit sich zu klären und aufzuarbeiten. Denn Yoga wirkt ganzheitlich: Körper und Geist werden entspannter und wir finden Ruhe in uns selbst.

2. Woche, 2. Tag: Sonntag, 16.08.2020
Karma – selbstloses Handeln
Karma. Das Gesetz von Ursache und Wirkung. Das wird hier ausführlich gelehrt und gelebt. Einer der sechs Yoga-Wege ist, sich selbstlos in den Dienst anderer zu stellen. Deshalb gibt es hier auch den Karma-Yoga-Dienst, der mir meinen Job als Türengel verschafft hat.
Aber auch die Theorie mitsamt der Reinkarnationslehre wird ausführlich behandelt. Und ich habe unglaubliche Erkenntnisse! Wahnsinn! Ich erkenne klar und deutlich mein Karma, das ich aufzuarbeiten haben. So viele Zeichen, „Zufälle“ und Gegebenheiten in meinem Leben führen mich immer wieder auf verschiedene Themen zurück.
Ich bin gespannt, ob es mir gelingen wird, mein Karma aus meinem früheren Leben (genannt Prārabdha Karma) aufzuarbeiten. Auf jeden Fall gebe ich mein Bestes, um mein Karma aus diesem Leben (Āgāmi Karma), das in mein großes Karma-Konto (Sanchita Karma) einfließt, so positiv wie möglich zu gestalten. Deshalb arbeite ich auch immer noch an meiner Demut. So ganz demütig kann ich sagen, dass ich auf einem guten Weg bin, aber noch ein großes Stück vor mir habe.

2. Woche, 3. Tag: Montag, 17.08.2020
Sadhana – körperliche & geistige Fortentwicklung
Ich kann den Handstand! Zumindest kann ich ihn, ausgehend mit an der Wand angelehnten Beinen, ganz kurz frei halten. Was für ein wunderbares Gefühl!

Auch daheim übe ich fleißig weiter
Der Handstand ist gar nicht schwer, wenn man weiß, auf was zu achten ist. Und dann ist es nur noch Übungssache. Wie bei so vielen Dingen im Leben. Im Alltag sind wir viel zu schnell, zu impulsiv, zu hektisch. Dabei sollte man langsam an die Sachen herangehen, sie sich vergegenwärtigen und bewusst machen. Denn dann kann man alles schaffen. Auch so Herausforderndes wie den Handstand.
Aber vorher sollten wir die Grundlagen dazu schaffen. Also Vorübungen zur Stärkung praktizieren. Im Körperlichen wie im Geistigen.
Als Vorübung für den Handstand und zur Stärkung der Arm- und Schultermuskulatur ist der Delfin sehr gut geeignet.
Zur Stärkung unseres Geistes ist stetiges Sadhana, was so viel heißt wie spirituelle Disziplin, nötig. Hierzu ist neben Asanas (Körperübungen) und Pranayama (Atemübungen) natürlich die Meditation sehr gut geeignet. Aber eigentlich stärkt jede Bemühung um eine Fortentwicklung den Geist. Ich nutze dafür seit einigen Jahren die täglichen Einträgen in mein Tagebuch.

Am Morgen und am Abend notiere ich mir Dinge, wie zum Beispiel wofür ich dankbar bin oder was ich an dem Tag Gutes für jemanden getan habe. Immer nach dem gleichen Schema. Das schafft Routine und so kann ich meine Fortentwicklung beobachten. Oder meine Problemfelder aufdecken und an ihnen arbeiten.


2. Woche, 4. Tag: Dienstag, 18.08.2020
Gelassenheit
„Gelassenheit“ war gestern Abend meine Affirmation in der Eigenschaftsmeditation. Einer Mediationsart, die hilft gewünschte Eigenschaften auszubilden.
Offenbar muss ich da noch ein bisschen üben. Heute hatte ich nämlich meine erste Lehrprobe. Eine Yogastunde für die Mittelstufe basierend auf der Yoga Vidya Grundreihe. Nach dem Mittagessen war von Gelassenheit nichts mehr zu spüren. Obwohl es bis dahin ganz gut geklappt hat mit dem gelassen sein, war ich dann doch sehr aufgeregt. Wahrscheinlich grundlos, denn ich habe mich so ganz entgegen meinem in der letzte Woche gefassten Vorsatz perfekt vorbereitet. An meinem Perfektionsimus muss ich wirklich noch arbeiten…

Die Gelassenheit ist aber glücklicherweise wieder zurück gekommen. Nur leider erst nach den Atemübungen und dem Sonnengruß. Egal, es ist super gelaufen und ich habe natürlich bestanden. Meine Schülerinnen haben mir sogar sehr gutes Feedback gegeben. Unterrichten macht mich wirklich glücklich, dankbar und zufrieden. Man darf so viel geben. Ich freue mich schon, wenn ich das regelmäßig machen darf. Und ich bin davon überzeugt, dass dann die Gelassenheit ganz von alleine kommen – und bleiben – wird.

2. Woche, 6. Tag: Mittwoch, 19.08.2020
Mantra
Heute stand das Thema Mantra auf dem Stundenplan. Ein Mantra ist eine spezielle Melodie mit einem Text auf Sanskrit, der immer und immer wieder wiederholt wird. Es hat den Sinn, den Geist zu befreien, indem es ihn beschäftigt hält. Klingt im ersten Moment paradox. Nachdem ich es ausprobiert habe, kann ich aber sagen – es funktioniert ganz wunderbar. Das stille Wiederholen eines Mantras während der Mediation hilft, den Geist zur Ruhe zu bringen und die anderen Gedanken leichter wieder ziehen zu lassen.
Hier im Ashram kann man sich die Mantraweihe geben lassen. Das heißt, man sucht sich ein Mantra aus und in einer feierlichen Zeremonie wird man in das Mantra eingeweiht. Im Gegenzug verpflichtet man sich, jeden Tag in stiller Mediation mindestens 20 Minuten mit dem Mantra zu meditieren.
Im ersten Moment dachte ich, dass schaffe ich zeitlich sowieso nicht und aus diesem Grund lasse ich es dann lieber ganz. Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr Gefallen habe ich an einem „eigenen“ Mantra gefunden. Denn dann hat man während der Meditation etwas, an dem man sich festhalten kann.
Das Mantra, in das man eingeweiht wird, darf man sich selbst aussuchen. Jedes Mantra ist einem Gott oder dem weiblichen Aspekt der Gottheit zugeordnet. Und damit den Eigenschaften in uns. Um sein eigenes Mantra finden, sollte man sich vom Klang des Mantras angesprochen fühlen. Man sollte sich visuell damit identifizieren können und die Bedeutung sollte der eigenen Natur entsprechen.
So ganz spontan kam mir da natürlich sofort das Kālī Mantra in den Kopf. Leider steht in den Erläuterungen dazu „Dieses Mantra ist nur für eine kleine Minderheit geeignet.“ So musste ich mir ernsthaft überlegen, ob ich (mal wieder) aus der Reihe tanzen will. Als Alternative kam ein Krishna-Mantra in Frage. Immerhin trage ich den Text, den ich damals auf der Yoga-Messe bekommen habe, immer noch in meinem Portemonnaie mit mir. Der Text darauf ist ein Krishna geweiht. Hier steht in den Erläuterungen „…besonders geeignet für lebensfrohe Menschen.“ Das würde ja auch gut passen.
Glücklicherweise gibt es die Mantraweihe jede Woche in der Ausbildung. Ich hatte also noch zwei weitere Wochen, um in mich zu gehen. Und dazu gab es Gelegenheit genug, denn während der Yogalehrerausbildung meditiert man zweimal täglich.

2. Woche, 5. Tag: Donnerstag, 20.08.2020
Kriyas – die Reinigungsübungen
„Ich bin klein, mein Herz ist rein…“
Nicht nur das Herz soll hier rein sein, sondern auch der Körper. Deshalb haben wir uns heute mit den Kriyas, den Reinigungsübungen, befasst. Die Reinigungsübungen helfen den Körper zu reinigen, indem sie die Ausscheidungssystem des Körpers anregen und unterstützen. Euch schwant schon Schlimmes? So ging es mir auch. Aber es war halb so wild.
Denn jeder konnte alles ausprobieren, musste aber nicht. Es gibt verschiedene Arten von Reinigungsübungen. Angefangen bei dem harmlosen Starren auf eine Kerzenflamme zur Reinigung der Augen bis hin zum etwas fordernden Einsaugen und anschließenden Herauspressen von Wasser mit einem in den After eingeführten Darmrohr. Das wurde allerdings nicht angeboten. Dafür durften wir aber so einiges mit unserer Nase und mit unserem Magen machen.
Die erste Übung war die Nasendusche. Ich hatte das tatsächlich noch nie vorher gemacht, bin jetzt aber ein begeisterter Fan davon. Es ist ein sehr angenehmes Gefühl, das Salzwasser durch die Nase fließen zu lassen.

Schwieriger gestaltete sich da schon die Nasenreinigung mit einem Faden, in unserem Fall einem dünnen Gummiröhrchen. Leider habe ich es nicht geschafft, das Teil wieder aus meinen Mund herauszuziehen. Eigentlich sollte nämlich das Gummi in die Nase eingeführt werden und wieder aus dem Mund herauskommen.

Eine weitere Übung ist, eine mit Salzwasser getränkte Mullbinde zu schlucken. Trotz allem Bemühen bekam ich keinen „Bissen“ runter.

Ganz ausgestiegen bin ich dann bei der Magenreinigung mit Salzwasser. Hierbei trinkt man ungefähr zwei Liter Salzwasser, um es anschließend im hohen Bogen wieder heraus zu spucken. Da ich im generellen kein Fan von Erbrechen bin (wer ist das schon?) hab ich das erst gar nicht versucht. Die, die es tatsächlich geschafft haben, waren aber sehr begeistert und meinten, es fühle sich ganz anders als Erbrechen an. Wie dem auch sein. Es war ganz lustig zuzusehen und zuzuhören. Da kam dann sogar ein bisschen Festival-Feeling auf…

2. Woche, 7. Tag: Freitag, 21.08.2020
Dankbarkeit
Die Intensiv-Ausbildung zum Yogalehrer dauert hier vier Wochen. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten die Ausbildung aufzuteilen. Entweder vier Wochen am Stück, zweimal zwei Wochen oder viermal eine Woche – nur um die unkomplizierteren zu nennen. Flexibilität wird hier großgeschrieben. Nicht nur bei der körperlichen Ausübung der Asanas.
Die Intensiv-Ausbildung hat ihren Namen verdient, denn sie ist wirklich sehr intensiv. Da ich das intuitiv wusste, war mein ursprünglicher Plan zweimal zwei Wochen zu kommen. Die ersten zwei Wochen hatte ich für den Mai gebucht. Im Mai konnte coronabedingt jedoch keine Ausbildung stattfinden und alles wurde abgesagt. Kurzerhand habe ich damals umgebucht auf vier Wochen am Stück. Was für ein Glück! Die Pandemie hat nicht nur Nachteile – manchmal kann sie auch ein Segen sein.
Heute war also das Ende der zweiten Woche der Ausbildung. Gut die Hälfte von uns 80 Schülern sind heimgefahren, um irgendwann später wiederzukommen und Woche drei und vier zu machen. Einige Tränen sind geflossen und es war wirklich schade, dass uns so liebgewonnene Menschen verlassen mussten.
Nach meiner ersten Planung hätte auch ich diese Variante gewählt. Und ich bin so glücklich und dankbar, dass es nicht so gekommen ist. Denn ich hätte nicht heimfahren wollen. Ich war total im Flow. Es war alles so unglaublich interessant und jeden Tag konnte ich so viele neue Erkenntnisse gewinnen. Wahnsinn!
Schon bisher war ich jeden Tag dankbar, dass ich hierher gefunden habe. Heute war ich aber noch ein bisschen dankbarer und vor allem sehr glücklich, dass ich bleiben durfte.

Und so endet der zweite Teil meiner intensiven Yogalehrerausbildung. Wenn ihr wissen möchtet, wie es weiter geht – STAY TUNED!
Nächste Woche gibt es den dritten Teil. Bis dahin: Namasté
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Ich staune gerade über die Yogastunde für die Mittelstufe – note to self, bei Dir dann unbedingt die Anfängerstunde buchen. Oder werden auch Varianten für die vorgesehenen Posen angeboten? Da war ich beim Betrachten des Bildes nicht ganz sicher, vermute aber schon, dass es das gibt.
Darfst Du mehr über die Mantraweihe schreiben? Das würde mich total interessieren – oder aber falls nicht, wie und wo ich das auch mal erleben könnte. Sowas interessiert mich brennend, ich habe aber bisher niemanden in meiner Nähe gefunden, der das anbietet.
Beim Abschnitt über die Reinigungstechniken musste ich herzlich lachen und auch an meine eigene Ausbildung denken. Und dass ich meinen Neti Pot mal wieder nutzen sollte, gerade jetzt, wo die Schnupfensaison schon fast wieder vor der Tür steht.
Ich hätte ja nie gedacht, dass bei sowas Festivalfeeling aufkommen könnte, aber Du hast mich überzeugt – einfach grossartig, danke Dir dafür!
Das Stundenbild ist nur eine Version von vielen möglich. Quasi meine Prüfungsvorbereitung, die die Mindestanforderungen enthalten hat. In den „echten“ Stunden werden natürlich auch Varianten angeboten.
Die Mantraweihe kann man bei Yoga Vidya machen wenn dort Yogalehrerausbildung ist. Auch als Individualgast. Es gibt ein Yoga Vidya Haus im Allgäu, da könntest du mal fragen, ob dort eine Mantraweihe angeboten wird. Das wäre vermutlich ein bisschen näher bei dir. Ansonsten kann ich zur Mantraweihe nur sagen – es war wunderschön und sehr feierlich!